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Wenn Worte nicht reichen – Wie mir Babyzeichen nach der OP halfen

Aktualisiert: 24. Juni


Ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht über Schmerzen, Sprachlosigkeit, Herkunft, Kultur – und das stille Glück, verstanden zu werden.


Anfang Juni hatte ich eine Operation. Was man mir vorher sagte: „Nach dem Aufwachen gibt’s Eis. “Was wirklich war:

Ich war ein Häufchen Elend. Ich konnte meine Augen nicht öffnen. Ich konnte nicht sprechen. Ich konnte nichts trinken. Alles drehte sich. Ich musste mich ständig übergeben. Mein Hals war durch die Beatmung wund – kein Ton kam über meine Lippen.

Und doch: Ich habe kommuniziert. Mit meinen Händen. Mit Gebärden.


Reden unmöglich. Gebärden mein Rettungsanker.

Die Schwestern taten ihr Bestes, um es mir erträglicher zu machen. Aber ich konnte nicht sprechen – die Kraft war weg, die Stimme sowieso.

Was blieb, waren Zeichen:

  • Daumen hoch – es geht einigermaßen

  • Daumen runter – mir ist schlecht

  • Gebärde für Trinken – ich möchte Wasser trinken

  • Gebärde für „Danke“ – still, aber ehrlich

  • Warten-Zeichen – gib mir einen Moment

  • ich möchte nichts - abgewunken

Ich bin mir sicher: Keine der Schwestern kannte offizielle Gebärden. Aber weißt du was?

Es hat funktioniert. Die Körpersprache, der Blick, das gemeinsame Wollen – alles floss zusammen. Wir haben uns verstanden. Und es war schön.


Wenn Sprache nicht reicht – und Respekt allein nicht genügt.

Während ich mich mit einfachen Zeichen verständlich machen konnte, erlebte ich bei meiner Bettnachbarin, wie schwierig Kommunikation ohne gemeinsame Sprache sein kann.

Sie kam aus Pakistan und verstand nur ein wenig Deutsch

Meine Bettnachbarin – eine sehr stille und freundliche Frau aus Pakistan – sprach kaum Deutsch. Und plötzlich wurde aus einem einfachen „Was möchten Sie trinken?“ ein echtes Missverständnis. Man versuchte alles aufzuzählen: Tee? Kaffee? Apfelsaft? Milch? Bei „Milch“ nickte sie. Aber sie hat es nie getrunken. Ich glaube, sie wollte einfach gefallen – sie kannte das Wort. Mit ein paar einfachen Gebärden hätte sie vielleicht wirklich verstanden, was zur Auswahl steht – und sich das ausgesucht, was sie wirklich gerne gehabt hätte.

Dann kam die unvermeidliche Krankenhaus-Frage: „Waren Sie auf Toilette?“ Sie verstand nicht. Die Ärztin versuchte geduldig, sich verständlich zu machen – sie sprach langsamer, deutlicher, suchte nach Worten. Schließlich fragte sie: „Waren Sie kacka machen?“

– nicht, um die Patientin herabzuwürdigen, sondern weil sie keine andere Möglichkeit mehr sah. Sie wollte helfen, wissen, ob Schmerzen da sind – aber auch sie war in der Kommunikation hilflos. Ich empfand es als traurig. Nicht wegen der Ärztin – sie tat ihr Bestes – sondern weil wir als Gesellschaft noch so wenige Alternativen kennen, um sprachliche Barrieren würdevoll zu überbrücken.

Die Gebärden für „Toilette“ oder „Pipi“ sind so einfach. Warum nutzt man sie nicht – zusammen mit Bildkarten? Gerade in Momenten, in denen sich Menschen sowieso hilflos und verletzlich fühlen?

Diese Szene hat mich noch lange beschäftigt. Denn sie zeigt, wie schnell selbst Fachpersonal an Grenzen kommt, wenn Sprache fehlt. Es geht hier nicht um Schuld – sondern um Strukturen. Um fehlende Hilfsmittel, fehlende Schulung und fehlende Alternativen. Wir brauchen mehr Werkzeuge für nonverbale Kommunikation im Gesundheitswesen. Für mehr Würde. Für mehr Sicherheit. Für mehr Menschlichkeit.


😄 Ein Moment zum Schmunzeln

Es gab auch lustige Augenblicke. Die Ärztin sprach mit mir über die Entlassung.

Ich sagte:„ Ich muss zu meinem Mann heim.“ Später kam der Mann meiner Bettnachbarin zu mir:


„Ahhh, du bist aus Mannheim?“ Ich musste schmunzeln.

Ich zeigte mit einer Geste auf meinen Ehering – das „internationale“ Zeichen für „Ehe(Mann)“. Dann das Zeichen für „Zuhause / Heim“. Er verstand. Wir lachten noch mehr.

❤️ Fazit:

Gebärden sind keine Sprache nur für Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

Sie sie ist eine Sprache für uns alle:

Für Menschen, die gerade nicht sprechen können.

Für Menschen, die eine neue Sprache lernen.

Für Kinder, die noch keine Worte haben.

Für alle, die gesehen und verstanden werden möchten.

Gebärden sind Brücken. Und Brücken braucht diese Welt mehr denn je!


Mein persönlicher Hinweis: Alle Zeichen, die ich verwendet habe, stammen aus meinem Alltag mit Babyzeichen aus der Zwergensprache. Sie haben mir in dieser Extremsituation geholfen, weil sie einfach sind, klar sind, und weil man sie auch dann verstehen kann, wenn man sie nicht gelernt hat. Sprache beginnt nicht im Kopf. Sprache beginnt im Herzen. Und manchmal in der Hand.


 
 
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